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Aladdin

Von Jonathan Ederer

Was ist dieser Film sagenhaft kurzweilig! Und das, obwohl er sich über 134 Minuten ausbreitet. Minuten gefüllt mit Magie, Humor, Will Smith, charmanten Hauptdarstellern, einigen Unschärfen und nicht durchdachten oder verfehlten Schnitten. Und dabei wird das Gleichgewicht wiedererlangt, das Disney schon einige Male verloren hatte, Tier und Mensch, Tricktechnik und Realaktion zusammenbringt sowie mit einer ausgewogenen Musical-Darbietung gezeigt, wie trotz klamaukigen Szenen die Ernsthaftigkeit nicht verloren gehen muss.

Die Geschichte von Aladdin ist bekannt. Der arme Junge aus misslichen Verhältnissen trifft Jasmin, die Prinzessin des Reiches. Sie sind sich sympathisch, doch weil Aladdin kein Prinz ist, scheint eine gemeinsame Zukunft unmöglich. Währenddessen versucht der Wesir des Maharadschas das Zepter mit Intrigen an sich zu reißen. Als Aladdin jedoch in den Besitz einer Wunderlampe kommt, wendet sich das Blatt.

Es entweicht Dschinni, gespielt von Will Smith, der sichtlich Spaß an der Sache hat. Er springt, macht Krawall, spielt mit den Emotionen seiner Umgebung, ist allmächtig, doch trotzdem gutmütig, ist ein Geist mit einem menschlichen Kern, ist Will Smith, der mit einem Fingerschnipsen das Publikum an sich reißen kann. Naomi Scott ist nicht nur einer der drei neuen Engel für Charlie, sondern auch Jasmin. Sie hat eine zauberhafte Aura und stellt selbst den selbstbewusst auftretenden Ägypter Mena Massoud in den Schatten. Die Casting-Agentur um Sala Benchegra, die oft für orientalisch angehauchte Produktionen wie Der Medicus, Prince of Persia und Königreich der Himmel angefragt wird, listet eine authentische und gegenüber dem Urstoff faire Besetzung.

Guy Ritchie merkt man. Doch niemals stört er. Er avanciert zum Meister der Kurzweil, setzt seine Schauspieler top in Szene und bleibt bei seinen Leisten: kreative Action und großspuriger Humor. Das gelingt zu weiten Teilen auch hier, wo doch ein Großkonzern im Hintergrund die Strippen zieht. Er schafft es, mit Gesangseinlagen umzugehen und diese in sein gewohntes Rezept zu integrieren. Und obwohl es viele ruhige Segmente gibt, die Action pointiert gesetzt ist, wird in letzteren ein Eindruck der Unvollständigkeit erweckt. Als ob zu vermittelnde Magie nicht die geeignete Plattform gefunden hat und der Renderprozess wohl besser noch einige Wochen gedauert hätte. Besonders auffallend bei Aladdins erster Begegnung mit Dschinni und dem Ritt auf dem Teppich mit Jasmin, wo der Hintergrund selbst zu einem Flickenteppich verkommt.

Und wie in jedem Disneyfilm wird in eben dieser Szene ein Motiv vermittelt, das auch hier nicht zu missdeuten ist: Die erste sexuelle Erfahrung, der leibhaftige Ritt über den Wolken. Es lässt sich jeder beliebige Schlagersong auf diese These hin überprüfen. Ob Beatrice Egli, die Schlagerpiloten oder der Wendler, alle fliegen sie ihrem Höhepunkt entgegen. A whole new World heißt der Song, den sie dabei singen und ja, das kauft man ihnen ab.

Rundum zufriedenstellend, mehr noch, dieser Film macht Spaß. Wer einen Abend mit Familie und Trällereien verbringen will, sollte Aladdin von Guy Ritchie wählen. Wie alle Langfilme aus dem Hause Disney lädt er dazu ein, genauer hinzusehen, das kindliche Gebilde zu durchbrechen und sich die Frage zu stellen: Ist es wirklich die wunderliche Lampe, die Aladdin da immer rubbelt, wenn er einen Wunsch fasst, so unstillbar, dass er dem irrealen Raum entweichen muss?


Titelbild © 2019 Walt Disney Studios Home Entertainment