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Der kleine Hobbit

Es ist an der Zeit, das Kinetoskopen-Archiv zu entrümpeln: Entstaubt und glatt poliert erstrahlt meine alte Hobbit-Umschau in neuem Glanz. Passend zu Weihnachten, denn da ist die Trilogie ein Muss!


Von Jonathan Ederer

Eine unerwartete Reise

Als im Dezember 2012 die langerwartete erste Verfilmung zu Tolkiens Roman Der Hobbit in die Kinos kam, waren die Erwartungen unfair hoch. Ich persönlich wurde nicht enttäuscht: Peter Jackson gelang es, die großartige Atmosphäre von Mittelerde wieder zum Leben zu erwecken und man hatte sofort das Gefühl, wieder in diese Welt eintauchen zu können. Eine unerwartete Reise hinterließ in mir ein wohliges Gefühl. Der Kontrast zur recht ernsten Herr der Ringe-Trilogie fiel von Beginn an auf.

Bestes Beispiel für dieses Gedühl: Martin Freemans Performance als Bilbo Beutlin. Einfach herzerwärmend. Auch die Zwerge sind Unikate, einer nach dem anderen wird gebührend vorgestellt und so wachsen sie einem im Laufe der nächsten 8 Stunden ans Herz. Der erste Gänsehaut-Moment: Bei prasselndem Kaminfeuer und knisternden Pfeifen stimmt der Zwergenkönig Thorin das „Misty Mountains“-Lied an. Alle Zwerge summen mit und Bilbo sitzt nachdenklich abseits im warmen Licht der Kerzen. Vielleicht ahnt er hier schon, dass fortan nichts mehr so sein wird, wie es früher einmal war.

Nach einigem Hadern mit sich und seiner Gemächlichkeit geht es dann auch schon los und die unerwartete Reise beginnt: Bilbo rennt wie von der Tarantel gestochen Beutelsend hinab. Ein bekanntes, pfiffiges Musikthema von Howard Shore untermalt perfekt seinen überhasteten Aufbruch. Diese Tonalität passt: Der kleine Hobbit  ist ein Kinderbuch. Ich bin mir sicher, J.R.R. Tolkien würde die etwas lockere und lustige Stimmung gut gefallen. Denn so finden vor allem jüngere Zuschauer viel leichter einen Zugang zu den Filmen.

Für die Kenner der Tolkien-Welt: zahlreichen Anspielungen auf die  Herr der Ringe-Trilogie. Zum Beispiel die drei Trolle, die von Bilbo überlistet und von Gandalf in Stein verwandelt werden. Diese Ungetüme sieht man in Die Gefährten wieder, als Frodo und die drei anderen Hobbits auf der Flucht von den Nazgûl sind. Steinig und verkrampft. Oder: die Schwerter Stich (Bilbos „Schwert“), Glamdring (Gandalf) und Orcrist (Thorin), welche die Abenteurer im Trollhort finden. Ein Glück, denn dank ihnen werden nicht nur Orks gespalten – auch ein Balrog fängt sich einige Jahre später den ein oder andern Streich damit ein.

Der Höhepunkt des ersten Teiles ist, wie Bilbo im Orkstollen auf Gollum trifft. Genial: Andy Serkis, der erneut den Sonderling mit Persönlichkeitsstörung mimt. Das Besondere, im Gegensatz zu seinem Auftritt in Herr der Ringe: Gollum ist lustig. Oder wenigstens noch komischer, als er es im Herrn der Ringe schon war.

Er glaubt in der Szene, dass er den Ring noch besitzt. Als er merkt, dass er ihn verloren hat, schlagen Gollums Witzeleien schlagartig in Boshaftigkeit um und er wird zur ernsthaften Bedrohung für Bilbo.

Dieser macht in der Folge einen Fehler, der noch weite Kreise ziehen wird: Er stellt sich Gollum mit Namen und Herkunft vor. „Auenland. Beutlin.“ Sehr zum Leid seines (Fast-)Neffen Frodo. Nur so kam diesem der Hexenkönig von Angmar auf die Spur und verletzte ihn auf der Wetterspitze fast tödlich. Dass Gollum den Ring verliert und Bilbo ihn nun besitzt, ist essenziell für den Fortgang der gesamten Geschichte im Dritten Zeitalter: in dieser Szene tragisch, urkomisch und bittersüß auf den Punkt gebracht.

Das Finale dagegen ist harmlos. Azog, der Schänder, hat hier seinen ersten großen Auftritt: grausam, bleich und vollgepumpt mit CGI. Als der Orkhüne die Truppe in die Enge treibt, beweist Bilbo seinen Heldenmut: Er rettet Thorin und darauf folgt der zweite Gänsehautmoment: Auf der Spitze eines Berges , von dem aus man den Erebor (Ziel der Mission und Ort, wo der Zwergenschatz liegt) sieht, sind sie erst einmal sicher vor den Orks.

Dort offenbart Thorin Bilbo, dass er sich noch nie in einer Person so getäuscht habe wie in ihm. Es folgt eine herzhafte Umarmung, die man so nicht kommen sah.

Und jetzt geht es Schlag auf Schlag und der Dritte folgt sogleich: der schnaubende Cliffhanger in Form des Drachen Smaug, der sich im Gold suhlt und nicht den Anschein macht, dass er auch nur eine Münze hergeben will.

Die unerwartete Reise endet mit der perfekten Note: „The Song of the Lonely Mountain“ von Neil Finn. Mit melancholischen Klängen vermittelt der neuseeländische Sänger ein Gefühl des Aufbruchs und ein wenig weihnachtlichen Esprit.


Smaugs Einöde

Smaugs Einöde beginnt da, wo Eine unerwartete Reise aufgehört hat. Die Zwerge befinden sich mit Bilbo und Gandalf auf der Flucht vor Azog. Sie rennen über Stock und Stein, begleitet von einem elegischen Geigensog sondersgleichen. Grandios: während die Kamera über die Berggipfel schweift, jagen die Warg-Reiter hinter Zwerg und Hobbit her.

Zum Glück begegnen sie Beorn, dem Hautwechsler. Obwohl anfangs nicht ganz klar, ist er wohl doch eher Freund als Feind ist und bietet ihnen Hilfe an. Sie müssen in den Grünwald, oder aufgrund aktueller Ereignisse auch Düsterwald genannt, gelangen – der ist von einer Art Krankheit befallen ist.

Eine Krankheit? – fragt man sich jetzt. Die Antwort, wie auf fast alle Fragen des Übels im dritten Zeitalter: Sauron. Er hext als Nekromant wild um sich und plant von seiner Festung Dol Guldur aus seine nächsten Züge. Dagegen hält der gut gebliebene Maia Gandalf, der sich nicht in Versuchung führen lässt: Der graue Zauberer findet gemeinsam mit seinem braunen Istari-Kollegen Radagast heraus, dass auch die Gräber der Nazgûl geöffnet wurden – und leer sind.

Eine weitere neue Figur: der Elbenkönig Thranduil. Er wird grandios dargestellt von Lee Pace. Das erhabene Oberhaupt des Grünwalds ist kein Geringerer als der Vater des Mittelerde-OP Legolas. Kontrovers aufgenommen wurde die Elbin Tauriel, gespielt von Fran Walsh. Sie wurde von Peter Jackson und seinen Drehbuchautoren erfunden – sehr zum Missfallen so mancher Tolkien-Fundamentalisten.

Was aber tatsächlich recht albern wirkt, ist die Liebesgeschichte von Tauriel und Kili. Zu gewollt, zu cringe. Ebenso die Fässerfahrt durch den computergenerierten Fluss. Go-Pro-Overkill trifft hier auf Seifenoper-Optik und weichgewaschen sind am Ende nicht nur die Klamotten der Zwerge.

Während der Verfolgung zu Fluss wird es dann sogar lächerlich: Der dicke Bombur und Legolas dürfen zeigen, was sie so an Akrobatik und übertriebenen Kampfgeist zu bieten haben. Das geht nach hinten los. Ernst gemeinte Action verkommt zu ungewolltem Slapstick. Hier würde man am liebsten skippen.

Doch zum Glück kratzt Jackson die Kurve. Schritt für Schritt wird nun alles auf die Begegnung mit dem Feuerdrachen aus dem Norden ausgerichtet: Smaug. Im Erebor, in dem Bilbo diesem Ungetüm an Hinterlist begegnet, entfaltet der Film seine komplette Wirkung, wird ausdrucksstark und magisch.

An dieser Stelle eine Empfehlung: Schaut den Film auf Englisch! Benedict Cumberbatch’s Performance ist hier schlicht bahnbrechend und Smaugs Sprach- und Wahnwitz kommt im Original noch stärker zur Geltung. Der Bass seiner Stimme durchdringt das Heimkino wie (damals) den Kinosaal, vereinnahmt unsere Ohren und geht direkt in Mark und Bein.

Sehr gelungen: Oft setzt die Musik aus, als ob selbst Howard Shore der Atem stocken würde, wenn Bilbo klammheimlich über die Goldstücke hopst und versucht, dabei keine Lawine aus Edelmetall auslösen will.

Der zweite Handlungsstrang lässt uns mehr über den anderen Übeltäter erfahren: Sauron. Der hat zu Zeiten des Hobbits noch keine Gestalt, aber wir werden Zeuge, wie er sein Auge schärft – im wahrsten Sinn des Wortes. Es kommt zum Kampf zwischen Gandalf und dem (baldigen) dunklen Herrscher. Es ist klar: Er lebt; Sauron ist auferstanden. Es war eine dramaturgisch gute Entscheidung von Jackson, Sauron fernab der Buchvorlage in den Hobbit einzubauen.

Ja, am Ende des Films hängt Gandalf gefangen in einem Käfig an den Ketten der Ruine von Dol Guldur. Er wird Zeuge, wie Scharen von Orks aus ihren Verliesen strömen. Sie werden angeführt von Azog, der in Richtung Erebor aufbricht. Dort kommt alles zusammen: Eine große Schlacht zwischen Menschen und Orks und ein wütender Smaug, dessen wertvollster Besitz, der Arkenstein, gestohlen wurde.

Und auch die Zwerge haben ihre Momente. Gute wie weniger gute: Thorin packt der Wahn, Balin, die Stimme der Vernunft, wächst einem ans Herz und sein umsichtiges Handeln stimmt einen umso trauriger, wenn man um sein Grab in Die Gefährten weiß. Auch am Ende des zweiten Teils kommt ein Lied: „I see Fire“ von Ed Sheeran. Nicht mehr so überragend, wie das Lied aus dem ersten Teil, aber immer noch noch gut. In der Welt außerhalb Mittelerdes leider zu einem Radio-Hit verkommen.


Die Schlacht der fünf Heere

Damals, am 10. Dezember 2014 um 00:01 war es dann soweit: Der dritte Teil der Hobbit-Trilogie lief im Kino. Aufgrund hoher Erwartungen ereilte mich bald Ernüchterung. Von Anfang an war klar: der Stoff des Büchleins reicht nicht aus für drei Filme. Die Schlacht der fünf Heere war ist zwar ganz unterhaltsam, aber es gibt so viel, das stört, ja, sie können einem fast den Film zerstören!

Apropos Zerstörung: Smaug macht sich seit Ende des zweiten Teils in die Seestadt auf und diese alsbald dem Erdboden gleich. Und – Spoiler – wird vom Bogenschützen Bard getörtet. Das wars schon mit dem schillernden Drachen, der mehr an seiner Eitelkeit hing als an seinem Leben.

Legolas und Tauriel machen sich derweil nach Gundabad auf (die ursprünglich zweitgrößte Zwergenstadt nach Khazad-dûm in Moria) und entdecken dort Orkscharen aus Angmar – dem Königreich des Hexenkönigs.

Diese Orks machen sich unter dem Orkhäuptling Bolg zum Erebor auf. Dessen Lge ist perfekt für sämtliche Kriegsstrategien. König Thranduil vom Düsterwald will derweil sein Recht auf den Teil des Schatzes unter dem Berg einfordern und droht Thorin mit Krieg. Der stellt sich aber stur stellt und lässt es darauf ankommen. Zum Glück, muss man fast sagen, treffen dann die Orks ein. Denn so sind Zwergen, Elben und Menschen dazu gezwungen, sich zu verbünden: den gemeinsamen Feind zu besiegen.

Toll ist, dass auch im dritten Teil der Bogen zu Der Herr der Ringe gespannt wird. Man sieht, wie Sauron vom Weißen Rat – Saruman, Galadriel, Elrond und Gandalf – aus dem Düsterwald verbannt wird. Man wird Zeuge, wie die Ringgeister auferstehen. Der Schwachpunkt: Die titelgebende Schlacht an sich.

In diesem Drunter und Drüber, das insgesamt 45 Minuten dauert, wird maßlos übertreiben, wo es nur möglich ist. Ein Troll bringt mit vollem Anlauf eine Burgmauer zum Einsturz und fällt anschließend bewusstlos zu Boden. Ein Slow-Motion-Action-Legolas slidet durch die Gegend, als befände er auf einer besonders prächtigen Welle in der Karibik. Unbesiegbar, overpowered, langweilig. Auch frech: Alfrid Leckspuckl – der Jar Jar Binks der Hobbit-Trilogie.

Ende gut, alles gut? Naja. Auch der letzte Song „The Last Goodbye“ von Billy Boyd kommt nicht mehr an seine Vorgänger heran. Die End-Credit-Songs nehmen analog zur Qualität des Films von Film zu Film immer etwas ab. Wenigstens wird es nahtlos mit der Herr der Ringe-Trilogie verwoben: Bilbo schreibt an seiner Geschichte „Hin und Zurück“, wird ein alter Hobbit, sehnt sich nach Abenteuern und: bereitet seinen 111. Geburtstag vor. Was dann geschieht, ist bekannt: es klopft erneut an der Tür.

Bildquelle: Hobbit-Trilogie © Warner Home Video 2013